DIE BILDERWELT DES WALTER TRIER

Auch wenn man sonst kaum mit dem Werk von Walter Trier vertraut ist, das Titelbild zu Erich Kästners Kinderbuch „Emil und die Detektive“ kennen doch die meisten. Eine „Ikone des bildnerischen Geists der zwanziger Jahre“ nannte es einmal der Schriftsteller und Zeichner Robert Gernhardt: Es leuchtet strahlend gelb, ein Platz in einer Stadt ist angedeutet, hinter einer Säule verstecken sich zwei Knaben. Ein Mann mit Hut und Anzug stolziert durchs Bild.

Walter Trier, Coverillustration zu “Emil und die Detektive”

„Emil und die Detektive“ erschien 1929. Es war das erste Kinderbuch Kästners und es war von Beginn an überaus erfolgreich. Zwei Jahre später kam das ebenso populäre „Pünktchen und Anton“ heraus, 1933 „Das fliegende Klassenzimmer“, zahlreiche weitere folgten. Wesentlich zum Erfolg der Bücher trugen die von Walter Trier geschaffenen Illustrationen bei.

Coverillustration von Walter Trier zu Erich Kästners „Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ (1931)

Ein Vierteljahrhundert arbeiteten Kästner und Trier zusammen. Doch während Name und Werk von Erich Kästner immer noch präsent sind, droht das Schaffen von Walter Trier in Vergessenheit zu geraten. Dass dies nicht geschieht, daran arbeitet unermüdlich Antje M. Warthorst. Die studierte Kunsthistorikerin ist Leiterin des „Walter Trier-Archivs“ in Konstanz. Es ist dies ein Künstler- und Forschungsarchiv, das sich vorrangig dem Werk Triers, aber auch allgemein der komischen Kunst, der Karikatur und der Bildsatire des 20. Jahrhunderts widmet. Antje M. Warthorst gilt als beste Kennerin des Schaffens von Walter Trier. Zu ihren Publikationen über den Künstler gehören unter anderem eine Biografie („Walter Trier – Die Biografie“, Favoritenpresse, Berlin 2021) und zuletzt der Band „Die Bilderwelt des Walter Trier“ (Favoritenpresse, Berlin 2021 und Sonderausgabe 2022).

Von Walter Trier gestaltetes Titelbild für die Monatszeitschrift „Uhu“ des Berliner Ullstein Verlags (Juli 1927)

Kurz einige biografische Daten zu Walter Trier: Geboren 1890 in Prag als Sohn eines jüdischen Handschuhmachers studierte er in München Kunst bei Franz von Stuck und zeichnete schon als Neunzehnjähriger für die renommierten Zeitschriften „Jugend“ und „Simplizissimus“. Der Verleger Hermann Ullstein holte ihn nach Berlin, wo er dann für das Magazin „Uhu“ und die Zeitschrift „Die Dame“ arbeitete. Im Vorwort zu „Die Bilderwelt des Walter Trier“ findet sich ein Zitat von Erich Kästner, der über seinen Freund Trier sagte: „Seine Meisterschaft zeigte sich auch und gerade in der Beschränkung“. Und Kästner betonte auch, dass Trier „einen guten Blick“ gehabt habe.

1936 musste Walter Trier emigrieren, er fand Zuflucht in England und es gelang ihm in den folgenden zwölf Jahren, auch dort mit seinen Arbeiten zu reüssieren – unter anderem mit den farbigen Titelblättern zu „Lilliput – The pocket magazine for everyone“.

Von Walter Trier gestaltetes Cover der Zeitschrift „Liliput“, August 1938
Von Walter Trier gestaltetes Cover der Zeitschrift „Liliput“, August 1938

Nach Kriegsende übersiedelte Trier nach Kanada, wo er als Werbegrafiker tätig war und auch weiterhin Illustrationen für Kästner-Bücher schuf. Eine Stelle als Trickfilmzeichner, die ihm Walt Disney anbot, lehnte er ab. 1951 starb Walter Trier in Kanada.

Es ist ein riesiges Werk, das Walter Trier zwischen 1910 und 1951 schuf. Antje M. Warthorst ordnete für das Buch „Die Bilderwelt des Walter Trier“ die Druckgrafiken nach inhaltlichen Kriterien in Kapitel wie: „Kinder und Spielzeug“, „Frauen, Männer und die Liebe“, „Artisten und Clowns“, „Politik und Zeitgeschehen“, „Buchklassiker für Klein und Groß“. Zu diesen Buchklassikern gehört neben „Emil und die Detektive“ zum Beispiel auch der „Till Eulenspiegel“, der für mich immer so aussah, wie ihn Trier gezeichnet hat. Die Herausgeberin erklärt das auch: „Er zeichnet so, wie Kinder gern zeichnen möchten, er spricht ihre Zeichensprache aber in Vollendung und deshalb müssen sie ihn verstehen und lieben“.

Englischsprachige Ausgabe des „Till Eulenspiegel“, 1938

In dem Band werden natürlich nicht nur Bilder und Zeichnungen (insgesamt sind es über 200 farbige Abbildungen) aneinandergereiht, da wird kommentiert, werden Hintergründe und Zeitumstände angesprochen. Die Herausgeberin verfasste unter dem Titel „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ auch ein Nachwort, in dem sie noch einmal auf all das eingeht, was Walter Trier ausmachte: So etwa, dass er nicht nur gerne über Zeitgenossen, sondern auch über sich gelacht hat, dass Deutschland mit Trier den gerade erst aus der Taufe gehobenen „Grotesken Realismus“, wie er im Titelbild zu „Emil und die Detektive“ so genial zum Ausdruck kam, verloren hat. Dass er es in der Emigration und in seiner neuen Heimat, in England und Kanada, als Zeichner leichter hatte als seine schreibenden Kolleg*innen, wird angesprochen, aber auch, dass dort andere Traditionen herrschten, dass man dort „mehr Fotografie fände als satirisches Malen und Zeichnen.“ Eine Tendenz, die sich fortgesetzt hat und die nicht mehr aufzuhalten zu sein scheint! Die schwierige Entstehungsgeschichte des Buches bildet den Abschluss – und dem „großen Amüsement und voller Schaulust“ steht nichts mehr im Wege.

Warthorst, Antje M.; Die Bilderwelt des Walter Trier. Kästner, Kunst und Politik. Das zeichnerische Werk. Mit einem Vorwort von Robert Gernhardt. Favoritenpresse Berlin 2022.

Die Themen der Flaneurin:
Nach oben scrollen