EIN KÜNSTLERISCHES KOCHBUCH

In den kulinarischen Regalen meiner Bibliothek stehen schon einige Künstlerkochbücher, in denen Kunstschaffende ihre Lieblingsrezepte selbst auf vielfältige Art und Weise illustrieren. Nun ist ein weiterer Band zur Sammlung hinzugekommen: „Cuisine Mondiale. Ein künstlerisches Kochbuch“. Dieses soll eine „interkulturelle Liaison von Kochen und Kunst“ sein, bei der sich 30 Künstler*innen aus 22 Ländern jeweils mit einem Lieblingsgericht und einem Werk vorstellen. Herausgeberin des 152 Seiten starken Bandes ist Alexandra Stäheli, die Leiterin des Baseler „Atelier Mondial“. Dieses ist das älteste und größte Austauschprogramm für Kunstschaffende in der Schweiz.

Buchcover

In „Cuisine Mondiale“ sind nun 30 Rezepte von Kunstschaffenden versammelt, die im Rahmen des „Residency-Programms“ von „Atelier Mondial“ entweder von Basel aus weltweit unterwegs waren oder die aus aller Welt zu Besuch in die Schweiz kamen. Es sind Rezepte, die alle eine ganz besondere Bedeutung für die Künstler*innen haben und zu denen sie auch ihre persönliche Geschichte erzählen: „Viele der hier versammelten Rezepte tragen einen reichen Schatz an künstlerisch-kulturellem Wissen zusammen und funktionieren zugleich auch als persönliche Zeitkapsel, die beim Kochen aufspringt und sich mit den im Raum freigesetzten Gerüchen und Geschmäckern in eine Proust’sche Madeleine verwandelt: prall, duftend und ein unerhörtes Glücksgefühl verströmend“, so Alexandra Stäheli in ihrer Einleitung.

Geordnet sind die Rezepte nach Erdteilen, also Afrika, Amerika, Asien und Europa. Die multidisziplinäre Künstlerin Grace Kalima aus der Demokratischen Republik Kongo beginnt mit Makemba, das sind süße, gebratene Kochbananen, die zu den Sonntagsessen ihrer Kindheit gehörten und bis heute ihr Lieblingsgericht sind. Ihre allergrößte Hoffnung sei es immer, erzählt Grace Kalima, dass es an den Orten, an denen sie sich gerade befinde, Kochbananen gebe.

Das letzte der dreißig Rezepte sind gefüllte Artischocken der türkischen Malerin Inci Furni. Die Zubereitung des Gerichts sei so zeitaufwendig, dass es auch langsam gegessen werden sollte, so die Künstlerin. Das Grenzüberschreitende des Unternehmens „Cuisine Mondiale“ wird einem beim Beitrag der deutschen Schriftstellerin Susanne Fritz aus ihrem von Covid überschatteten Paris-Aufenthalt klar: Sie wählte – immerhin in der Welthauptstadt der  Kulinarik – Pellkartoffeln mit Quark, aber da schon die französische Variante, also die mit gesalzener bretonischer Butter.

Die Pellkartoffeln mit Quark von Susanne Fritz
Die Pellkartoffeln mit Quark von Susanne Fritz

Das Internationale dieses Unternehmens wird auch gleich beim Durchlesen des Inhaltsverzeichnisses deutlich, denn nur ganz wenige Speisen kommen einem – als doch auch viel reisenden Mitteleuropäer – bekannt vor. Fava zum Beispiel: „Fava ist ein einfaches, aber tiefgründiges griechisches Gericht, sein Geschmack trägt für mich den Reichtum der Erde, die Wärme der Sonne und die Brise des Meeres in sich“, schreibt die Griechin Yota Tsotra, die in ihrer künstlerischen Arbeit eine Vielzahl von Medien erforscht. Fava sei mehr als nur ein Gericht, es verkörpere die griechische Mezze-Kultur, „bei der verschiedene Gerichte serviert und mit allen Menschen am Tisch geteilt werden.“

Yota Tsotras Rezept gibt die Zutatenmenge für 6 Portionen, als Teil einer Mezze-Auswahl, an:
200g gelbe Spalterbsen (es können auch gelbe Linsen verwendet werden.) 1l heißes Wasser, 2 Zwiebeln gehackt, 6 EL Olivenöl, 1 Knoblauchzehe, 2 Lorbeerblätter, Salz und Pfeffer, 600 ml Wasser, geriebene Schale und Saft einer Zitrone, 2-3 EL Kapern, Petersilie.
Die Gelberbsen in heißem Wasser schwenken, dann abtropfen lassen und beiseite stellen. Die Zwiebeln in 2 EL Olivenöl in einem Topf bei mittlerer Hitze anbraten, bis sie goldbraun sind. Die Hälfte herausnehmen und zur Seite stellen. Die Erbsen zu den im Topf verbliebenen Zwiebeln geben, ebenso Knoblauch, Lorbeerblätter, Salz und Pfeffer. Das Wasser hinzufügen. Alle Zutaten auf kleinem Feuer kochen, bis das Wasser verdampft ist und die Erbsen weich geworden sind. Vom Herd nehmen und die Lorbeerblätter entfernen. 4 EL Olivenöl, die geriebene Schale und den Saft einer Zitrone unterrühren und die Fava nach Belieben pürieren. Mit den Zwiebeln sowie Kapern, Petersilie und einem Spritzer zusätzlichem Olivenöl garnieren und servieren.

Fava von Yota Tsotra
Fava von Yota Tsotra

Und so bietet dieses Buch einen Überblick über internationale Gerichte, die alle eher einfach sind und keiner großen Ausgaben bedürfen. Mag sein, dass die Zubereitung mühsam ist, wenn zum Beispiel die japanische, multidisziplinäre Künstlerin Rika Nakashima davon schreibt, dass Udon-Nudeln in Japan in Geschäften zu kaufen seien, viele Menschen daher noch nie versucht hätten, sie selbst zu machen. Ich zitiere kurz aus ihrem Rezept und dann wird man auch verstehen, warum das so ist. Der Nudelteig wird also in einen Plastikbeutel gelegt, „mit einem Geschirrtuch abgedeckt und dann mit den Füssen, speziell mit den Fersen, ausgiebig und gefühlvoll geknetet. Wenn der Teig dünn geworden ist, aus dem Beutel herausnehmen, zwei Mal falten, wieder in den Beutel geben und weiterkneten. Den Vorgang des Knetens und Faltens dreimal wiederholen.“

Udon-Nudeln, zubereitet von Rika Nakashima
Udon-Nudeln, zubereitet von Rika Nakashima

Somit tut sich in „Cuisine Mondiale“ eine ganz andere, wirklich weltweite Art des Kochens vor einem auf. Um dieser Weltoffenheit gerecht zu werden, ist das Buch auch in zwei Sprachen, in Deutsch und in Englisch verfasst. Man kann es primär einmal als Kochbuch ansehen, dann aber auch als Bilderbuch und als Lesebuch, da sich die Kunstschaffenden nicht nur mit ihren Rezepten, sondern eben auch mit ihren Werken präsentieren, seien das nun Bilder oder Texte. Am Schluss werden sie alle mit Foto und Lebenslauf vorgestellt.

Atelier Mondial/Alexandra Stäbeli (Hg.): Cuisine Mondiale. Ein künstlerisches Kochbuch. Christoph Merian Verlag, Basel 2025.

17.9.2025

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