„SÜSSES WILDES WIEN“

Alexandra Maria Rath ist ausgebildete Ernährungstrainerin und Wildkräutercoach, sie veranstaltet Kochworkshops und „Wiener Touri-Trips“, bei denen es um essbare Wildpflanzen und Wiener Sehenswürdigkeiten geht. Geschrieben hat sie darüber in ihrem Buch „Wildes Wien“ (für das sie einen „Swiss Gourmet Book Award“ bekam), und nun setzt sie mit dem Band „Süsses Wildes Wien“ fort. In diesem rundum aufwendig gestalteten Buch beschreibt sie in dreizehn Kapiteln alles, was in der Stadt wächst und genascht werden kann.

Walderdbeeren bei Schloss Neugebäude. Abbildung aus dem Buch „Süsses Wildes Wien“, zur Verfügung gestellt vom Gmeiner Verlag, ©SWW.

Sie beginnt mit der Taubnessel, die von April bis Juni und dann wieder September und Oktober vor der Wiener Hofburg wächst, und sie endet mit den Tannenbäumen in der Innenstadt im Dezember. Dazwischen gibt‘s Holunder im Bezirk Ottakring, Walderdbeeren in Simmering, Wiesensalbei auf dem Uni Campus, Thymian vor der Gloriette in Schönbrunn, Labkraut rund um die Meierei im Arenbergpark, Maulbeere im Türkenschanzpark, Stadthonig vor dem Rathaus, Kriecherl (eine Unterart der klassischen Pflaume) am Roten Berg, Kornelkirsche im Stadtteil Stammersdorf, Baumhasel vor der Technischen Universität und Walnuss im Donaupark. Doch bevor es so weit ist, dass man mit ihr durch Wien flanieren und kosten kann, hat sie noch jede Menge an theoretischem und praktischem Wissen zu vermitteln: über das Sammeln von Wildpflanzen, über das Kuchenbacken, die Zuckerrübe und die Wiener Zuckerbäcker. Das kommt alles im Plauderton daher und wird auch reichlich illustriert.

Nun ist dieses Buch über das „Süsse Wilde Wien“ natürlich kein Reiseführer, den man unter dem Arm auf den diversen Rundgängen mitnimmt, denn dazu ist es einfach zu umfangreich und zu kostbar. Aber zum Studieren davor oder zum Nachlesen danach ist es trefflich geeignet. Die Autorin beschränkt sich nämlich nicht nur auf Kulinarisches, sondern sie bietet auch Historisches an, gibt Tipps für Museen und alles andere, was „besichtigbar“ ist, und sie liefert zu allem, was da wächst, auch noch Botanik und Medizingeschichte – also zu welcher Pflanzengattung jenes Kraut oder jene Blume gehört und wofür diese Pflanzen in alten und neueren Zeiten angewandt wurden, vom Anregen der Nierentätigkeit bis zum Lindern des Hustens. Auf dreizehn Standorte verteilt Alexandra Maria Rath 36 Rezepte, die mit Hauben gekennzeichnet sind: eine für „Babyleicht“, zwei für „Leicht, aber mehr als eine Rührschüssel vonnöten“ und letztlich drei Hauben, wenn „Schneebesen und Fingerfertigkeit gefordert“ sind.

Weißes Schoko-Mousse. Abbildung aus dem Buch „Süsses Wildes Wien“, zur Verfügung gestellt vom Gmeiner Verlag, ©SWW / Stefan Mayer

Alle drei Schwierigkeitsgrade enthält das Kapitel über die Walderdbeere im Garten des Lustschlosses Neugebäude im 11. Wiener Gemeindebezirk. Dieses Neugebäude –  weiß die Autorin – ist kein Schloss im herkömmlichen Sinn, sondern italienisch geprägte Festarchitektur. Es wurde von Kaiser Maximilian II. im 16. Jahrhundert in Auftrag gegeben, die Gärten betreute Carolus Clusius, ein niederländischer Gelehrter, Arzt und Botaniker. 2010 wurde der rund 17.000 Quadratmeter große Untere Garten ganz im Sinn der Renaissance wiedererrichtet und ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Nach den historischen Informationen geht es Rath um Botanik und Sensorik, sie weist darauf hin, dass „der Geschmack der Walderdbeere einzigartig und so gar nicht mit dem der Gartenerdbeere vergleichbar ist“ und dass dieser Geschmack auch in alten Rebsorten vorkomme, die gegen die Reblaus resistent sind und aus denen im Burgenland und in der Steiermark der „Uhudler“ gekeltert wird. Sie kennt auch Beispiele aus der Kunstgeschichte, zum Beispiel das Holbein-Gemälde „Madonna in den Erdbeeren“. Und dann folgen die Rezepte: die doch eher schwierige „Mini-Pawlowa“, das schon leichtere Weiße Schoko-Mousse mit Walderdbeer-Spiegel und zwei Walderdbeer-Cocktails, eine Strawberry-Margarita und ein kubanischer Strawberry-Daiquiri.

Rezept für „Weißes Schoko-Mousse“ aus dem Buch „Süsses Wildes Wien“, zur Verfügung gestellt vom Gmeiner Verlag
Rezept für „Weißes Schoko-Mousse“ aus dem Buch „Süsses Wildes Wien“, zur Verfügung gestellt vom Gmeiner Verlag

Beschlossen wird das Buch mit „Blick in die Küche“, in dem das Team vorgestellt wird: die Autorin, der Fotograf und Food-Stylist Stefan Mayer, der Grafiker David Maninger und der Zeichner Alfons Theininger.

Alexandra Maria Rath: Süsses Wildes Wien. Gmeiner Verlag, Meßkirch 2023.  

1.6.2023

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