C.D. FRIEDRICH: DER WEITE HORIZONT

Caspar David Friedrich
Das Eismeer, 1823/24. Wikimedia Commons
Caspar David Friedrich: Das Eismeer. 1823/24. Wikimedia Commons

Caspar David Friedrich, der nach Albrecht Dürer vielleicht bekannteste deutsche Maler, wurde vor 250 Jahren, am 5. September 1774, in Greifswald geboren. Dem tragen Ausstellungen in Hamburg, Berlin und Dresden Rechnung, und natürlich reagiert auch der Buchmarkt mit einer ganzen Reihe von Publikationen darauf. Eine davon stammt von der deutschen Kunsthistorikerin und Sachbuch-Autorin Kia Vahland und ist in der Insel-Bücherei erschienen. Titel: „Caspar David Friedrich und der weite Horizont“.

Caspar David Friedrich: Wiesen bei Greifswald. 1821/22. Wikimedia Commons
Caspar David Friedrich: Wiesen bei Greifswald. 1821/22. Wikimedia Commons

Ein empfindsamer, aber kein gefühlsseliger Künstler, kein Malerfürst der großen Gesten, sondern ein zum „Verweilen im Moment Einladender“ sei Friedrich gewesen, meint Kia Vahland in ihrem Vorwort. Im ersten, historischen Teil des Buches beschreibt sie die Epoche, in der Friedrich lebte, dringt in die fromme Gedankenwelt des malenden Protestanten ein, weiß, wie seine wichtigsten Werke entstanden sind und wie sie aufgenommen wurden. Im zweiten Teil erforscht sie die musealen Stücke im Deutschland der Gegenwart und spricht mit Kunsthistoriker:innen, Kurator:innen und Restaurator:innen.

Der erste Teil, der den Titel „Alte Horizonte“ trägt, beginnt mit dem Bild „Mönch am Meer“, an dem Friedrich zwei Jahre lang, von 1808 bis 1810, arbeitete und das er immer wieder veränderte. Mit dem Werk hatte der Maler, so Vahland, eine erste Antwort auf die Frage gefunden, welchen Sinn denn Kunst haben könne.

Caspar David Friedrich: Mönch am Meer. 1808-1810. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.
Caspar David Friedrich: Mönch am Meer. 1808-1810. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.
Seine Gedanken zum Bild formulierte Friedrich in einem Brief so: „Und sännest Du auch vom Morgen bis zum Abend, vom Abend bis zur sinkenden Mitternacht; dennoch würdest du nicht ersinnen, nicht ergründen, das unerforschliche Jenseits! Mit übermüthigen Dünkel, wennest du der Nachwelt ein Licht zu werden, zu enträzlen der Zukunft Dunkelheit! Was heilige Ahndung nur ist, nur im Glauben gesehen und erkannt; endlich klahr zu wissen und zu Verstehn! Tief zwar sind deine Fußstapfen am öden sandigen Strandte; doch ein leiser Wind weht darüber hin, und deine Spuhr wird nicht mehr gesehen: Thörigter Mensch voll eitlem Dünkel!“

Eine kurze Biografie macht in Kia Vahlands Buch mit Friedrichs Werdegang vertraut, erläutert, wie er sich seine Kunst erarbeitete: Präzise detaillierte Skizzen mit Entfernungen, Größenverhältnissen und Farbeindrücken wurden in der Natur angefertigt, daheim im Atelier entstanden dann „keine realistischen Abbilder, sondern leicht unwirkliche Fantasiegemälde.“ Natürlich beschäftigt sich die Autorin auch mit Friedrichs Rückenfiguren, Männer und Frauen von hinten, die beim Betrachten des Bildes „in die Position der Beobachter versetzen, die Beobachter beobachten.“

Caspar David Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes. Zwischen 1825 und 1830. Metropolitan Museum of Art, New York
Caspar David Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes. Zwischen 1825 und 1830. Metropolitan Museum of Art, New York.
Von diesem bekannten Bildmotiv sind mehrere Varianten vorhanden. Die ursprüngliche Fassung ist vermutlich jene, die sich in der Dresdner Gemäldegalerie Neue Meister befindet und 1819/1820 entstanden ist. Das hier abgebildete Gemälde ist eine von Friedrich ausgeführte Kopie aus der Zeit zwischen 1825 und 1830. Eine weitere Variante ist das Bild „Mann und Frau in Betrachtung des Mondes“, das sich in der Alten Nationalgalerie in Berlin befindet. Außerdem gibt es noch andere Kopien des Gemäldes, die jedoch nicht von Friedrich angefertigt wurden.

Der zweite Teil heißt folgerichtig „Neue Horizonte“. In ihm wird die Frage beantwortet, wo man denn jenes Ambiente, das Caspar David Friedrich inspirierte, im 21. Jahrhundert finden könne: „Am besten unter freiem Himmel, im Welterbepark der Unesco auf Rügen, vorbei an knorrigen Baumwurzeln, hin zu den strahlend weißen Kreidefelsen“, rät Vahland. Die Autorin fordert auch unbedingt dazu auf, die Gemälde im Original, im einem Museum, zu betrachten, die lichten Farbwunder ließen sich anders nur schlecht wiedergeben, die Zwischentöne gingen in den gedruckten oder digitalen Reproduktionen unter.

Caspar David Friedrich: Kreidefelsen auf Rügen. 1818. Kunst Museum Winterthur.
Caspar David Friedrich: Kreidefelsen auf Rügen. 1818. Kunst Museum Winterthur

Aus Vahlands Gespräch mit Johannes Grave, dem Kurator der Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, erfährt man, dass es bei Friedrich um das Sehen gehe, „und zwar um das langsame, besinnliche Schauen und Verstehen.“ Der Kunsthistoriker Werner Busch stellt fest, dass die Welt in der Romantik fragmentiert zu sein schien, dass es keine Ganzheit gegeben habe, Caspar David Friedrich aber aus den vielen skizzierten Bruchstücken dann im Atelier die verlorene Einheit wiederherstellen wollte. Kristina Mösl, Restauratorin in der Alten Nationalgalerie in Berlin, vermittelt im Gespräch, wie betörend das Ergebnis ihrer Arbeit gewesen sei, in der sie die vielen Firnisschichten abgetragen habe und dann Gemälde, die angeblich von schlechtem Wetter und dunkler Schwermut erzählt hätten, „nun mit der Sonne um die Wette strahlten“.

Caspar David Friedrich: Wanderer über dem Nebelmeer. Um 1817. Wikimedia Commons
Caspar David Friedrich: Wanderer über dem Nebelmeer. Um 1817. Wikimedia Commons

In ihrem Schlusswort meint Kia Vahland, dass es sich lohne, sich ganz auf Friedrichs Gemälde und Zeichnungen einzulassen, „auf seine Himmel und Wiesen, Steine und Strände, seine Dunkelheit und seine lichten Farben.“ Denn dadurch werde ganz körperlich erfahrbar: „Caspar David Friedrichs Kunst des weiten Horizonts führt ins Hier und Jetzt.“

10.3.2024

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