CLAMECY UND SEIN „GROSSER SOHN“

Kathedrale von Clamecy. Foto: B. Denscher

Auch wenn das Städtchen Clamecy im Burgund nicht zu den berühmten touristischen Anziehungspunkten der Region gehört, so lohnt es sich doch, hier einen Zwischenstopp einzulegen. Denn das rund vierzig Kilometer südlich von Auxerre liegende Clamecy hat einiges an Sehenswertem zu bieten. In der in ihrer mittelalterlichen Struktur noch gut erhaltenen Altstadt beeindrucken die Fachwerkhäuser – und vor allem die zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert errichtete Kathedrale Saint-Martin de Clamecy, die zu den bedeutendsten gotischen Bauten im Burgund zählt.

In der Altstadt von Clamecy. Foto: B. Denscher

Während Clamecy heutzutage eher still und beschaulich wirkt, herrschte in der Stadt einst geschäftiges Leben und Treiben. Denn Clamecy liegt am Fluss Yonne, und über diesen, der südöstlich von Paris in die Seine mündet, jahrhundertelang Brennholz in die französische Hauptstadt geflößt. Clamecy war dabei zentraler Sammelplatz: die Scheiter, die aus der nahegelegenen Waldregion Morvan hierher geschwemmt worden waren, wurden in Clamecy gesammelt, gelagert und zu riesigen Flößen zusammengebunden. Es war dies eine hochspezialisierte Arbeit, die im Museum der Stadt in einem eigenen Ausstellungsbereich anschaulich dokumentiert ist.

Romain Rolland, 1914, Foto: Bibliothèque nationale de France

Benannt ist das Museum nach dem berühmtesten „Sohn“ der Stadt – dem Schriftsteller, Literaturnobelpreisträger und Pazifisten Romain Rolland, der 1866 in Clamecy geboren wurde und dem im „Musée d’Art et d’Histoire Romain Rolland“ ebenfalls ein eigener Bereich gewidmet ist. Sich mit Leben und Werk Rollands zu beschäftigen, lohnt aber auch ohne einen Zwischenstopp in Clamecy. Denn zu entdecken oder wiederzuentdecken ist eine überaus beeindruckende – und heutzutage vielfach in Vergessenheit geratene – Persönlichkeit. Rolland, zu dessen Freundes- und Bekanntenkreis unter anderen Stefan Zweig, Albert Einstein, Sigmund Freud, Hermann Hesse, Maxim Gorki und Mahatma Gandhi gehörten, verfasste Romane, Theaterstücke, Essays und Biografien. Er war einer der führenden Intellektuellen seiner Zeit und ein engagierter Pazifist – was ihm, als er während des Ersten Weltkriegs vehement eine friedliche Konfliktlösung forderte, zahlreiche Anfeindungen von nationalistischen Kreisen einbrachte. Den Nobelpreis, den er 1916 für den Roman „Jean-Christophe“ und dessen Grundidee der Völkerverständigung erhielt, spendete er zu einem Großteil an die „Internationale Zentralstelle für Kriegsgefangene“ des Roten Kreuzes. Zu empfehlen ist also auch ein Zwischenstopp in einer Buchhandlung, einer Bibliothek, oder auf den entsprechenden Seiten im Internet – Stichwort: Romain Rolland!

18.3.2023

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