DER PERFEKTE RENAISSANCEGARTEN

Beginnen sollte man die Besichtigung der berühmten Gärten des im französischen Loiretal gelegenen Schlosses Villandry… – nein, nicht in den Gärten, sondern im Schloss. Und da sollte man, wenn möglich, auf einen Blick aus den Fenstern in den unteren Stockwerken verzichten und sich gedulden, bis man ganz oben ist, auf der Terrasse des Wohnturms. Denn von dort und von der anschließenden Außenpromenade hat man einen großartigen Überblick über die Anlage, die ganz im Stil der Renaissance gehalten ist und sich in ihrer geometrischen Struktur am besten durch die Sicht von oben erschließt.


Angelegt sind die insgesamt sechs Gärten von Schloss Villandry auf mehreren, zum Schloss hin abfallenden Ebenen. Auf der obersten Ebene befindet sich der mit vielen Sträuchern, Stauden und Obstbäumen ausgestaltete „jardin du soleil“, der „Sonnengarten“, daran anschließend der „jardin d’eau“, der Wassergarten, in dessen Zentrum sich ein großes, in der Form eines historischen Spiegels gestaltetes Wasserbecken befindet, von dem aus die tiefer liegenden Gärten über einen Kanal bewässert werden. Auf den folgenden Ebenen befinden sich ein Garten mit Gewürz- und Heilpflanzen und ein aus Hainbuchenhecken gestaltetes Labyrinth. In diesem geht es nicht, wie in den meisten Irrgärten, darum,  den Ausgang zu entdecken (was hier eine sehr leicht zu lösende Aufgabe ist), sondern darum, zum Mittelpunkt des Labyrinths zu gelangen, wo sich eine kleine Aussichtsplattform befindet.

„Gartenarbeit“ in Villandry. Alljährlich werden rund 115.000 Gemüsepflanzen und Blumen in den Gärten ausgepflanzt.

Geometrische Formen dominieren im Ziergarten, der, vom Schloss aus gesehen, als optische Verlängerung des Salons angelegt ist. Dieser „jardin d’ornement“ wird auch als „jardin d’amour“ – „Liebesgarten“ bezeichnet. Dies verweist auf jenen Teil des Ziergartens, in dem vier in unterschiedlichen Ornamenten gestaltete Quadrate die „zarte Liebe“, die „leidenschaftliche Liebe“, die „unbeständige Liebe“ und die „tragische Liebe“ symbolisieren.

Im Vordergrund das Gartenquadrat der „leidenschaftlichen Liebe“, dahinter, symbolisiert durch die Herzformen, die „zarte Liebe“, links daneben die „tragische Liebe“. Im Vordergrund das Gartenquadrat der „leidenschaftlichen Liebe“, dahinter, symbolisiert durch die Herzformen, die „zarte Liebe“, links daneben die „tragische Liebe“.

Neun Quadrate mit unterschiedlichen geometrischen Formen – die an die Felder von Brettspielen erinnern sollen – bilden den 12.500 Quadratmeter großen Gemüsegarten von Villandry. Dieser grenzt direkt an das Schloss an und wird zwei Mal pro Jahr, im März und im Juni, frisch bepflanzt.

Gemüsegarten. Im Hintergrund der kleine Ort Villandry mit der spätromanischen Kirche Saint-Étienne.

Die Anlage von Villandry stellt in ihrer Gestaltung und mit ihrer vielfältigen Symbolik die Idealform eines Renaissancegartens dar – obwohl sie erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Ihr Ursprung aber liegt tatsächlich im 16. Jahrhundert, denn Schloss Villandry wurde 1532–1536 erbaut und gilt als eines der letzten im Renaissancestil errichteten Schlösser an der Loire. Historische Dokumente und archäologische Untersuchungen belegen, dass sich rund um das Schloss ein Garten befand, der dem heutigen sehr ähnlich gewesen sein muss. Allerdings wurde dieser im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, entsprechend der Mode der Zeit, zu einem Park im englischen Stil umgestaltet. Die Initiative zum Rückbau kam von dem aus Spanien stammenden Mediziner Joachim Carvallo, der Villandry 1906 kaufte und in den folgenden Jahren wieder im Originalstil herstellen ließ.

Website von Schloss Villandry.

28.4.2017. Fotos: B. Denscher

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