Der Begriff Fake News sei, so könnte man meinen, eine relativ neue Wortschöpfung. Aber auch wenn die – gemäß der Definition des Duden – „in den Medien und im Internet, besonders in sozialen Netzwerken, in manipulativer Absicht verbreiteten Falschmeldungen“ in Zeiten der globalen Unsicherheit und politischen Verunsicherung Hochkonjunktur haben, so ist doch die Bezeichnung kein Neologismus. Geprägt wurde der Ausdruck in den USA, und zwar bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Einer der frühesten Belege für die Verwendung findet sich im Wochenblatt „Ameryka“, das ab Dezember 1889 auf der Titelseite den Hinweis brachte: „Only Reliable Firms can advertise in the AMERYKA. No fake news! No humbug ʼadsʼ!“
Es war dies übrigens einer der ganz wenigen englischsprachigen Textteile der Zeitung, denn „Ameryka“, das von 1889 bis 1891 in Toledo im Bundesstaat Ohio erschien, war ein polnischsprachiges Blatt und ganz auf die Interessen der großen polnischen Community der Stadt ausgerichtet.
In „Ameryka“ beziehen sich die „fake news“ auf kommerzielle Werbung – falsche Versprechungen und Humbug-Inserate verbat man sich da von Seiten der Zeitung. In jener großen Karikatur aber, die am 7. März 1894 auf einer Doppelseite in der Zeitschrift „Puck“ erschien, ist der Begriff klar auf den journalistischen Bereich gemünzt.
In der linken oberen Ecke des Bildes ist ein Mann zu sehen, der mit einem Stapel von Blättern, die als „Fake news“ gekennzeichnet sind, eilig herbeigelaufen kommt. Diese News landen ebenso in der Druckerpresse wie die anderen journalistischen Erzeugnisse, die hier von allen Seiten für die Zeitung „The Daily Splurge“ geliefert werden. Schlagzeilen wie „High spiced sensation“, „Divorce court details“, „Private scandal“ und „Damaging rumors“ sind da zu finden, ein Artikel trägt den Titel „Life in Sing Sing – a Splurge reporter in disguise“, ein anderer „A week as a tramp!! Wild and exciting experiences of a Daily Splurge reporter“, die Reporterin „Rita Rubbish“ berichtet davon, was sie, als Mann verkleidet, in „A night around town“ erlebt hat, und „Fanny Fake“ weiß, „How beggars are treated on 5th Ave“. All das trägt zum Reichtum des Zeitungseigentümers bei: Dieser (gemeint ist hier vermutlich Joseph Pulitzer) sitzt in seinem Büro vor einem offenen Safe, aus dem die „Profite“ in Form einer Unmenge von Banknoten und Münzen herausquellen. „The fin de siècle newspaper proprietor. He combines high-sounding professions and high-spiced sensations, and reaps a golden profit thereby“, lautet dazu die Bildunterschrift.
Gezeichnet wurde der Cartoon von Frederick Burr Opper (1857–1937). Der aus einer jüdischen Familie mit österreichisch-ungarischen Wurzeln stammende Opper gilt nicht nur als einer der Pioniere des modernen Comics (berühmt wurde er vor allem durch die von ihm geschaffene Figur des „Happy Hooligan“), sondern vor allem auch als einer der führenden politischen Karikaturisten seiner Zeit. Für das von 1871 bis 1918 zunächst in St. Louis, dann in New York publizierte, einflussreiche Satiremagazin „Puck“ schuf Opper eine Vielzahl von Cartoons zu aktuellen politischen Themen. So etwa beschäftigte er sich in der Ausgabe des „Puck“ vom 9. Januar 1884 mit der damals vieldiskutierten Frage, inwieweit Kongressabgeordnete bestechlich seien.
Die Bildunterschrift mit dem Zitat „It costs money to fix things“ und dem erläuternden „As it is plain that most of our Congressmen are for sale, they might as well display their prices prominently” bezieht sich auf den Eisenbahn-Tycoon Collis P. Huntington, dem vorgeworfen wurde, sein Geschäftsimperium mithilfe von Beziehungen und Bestechungen aufgebaut zu haben.
Die zunehmende Verwendung des Begriffes Fake News Ende des 19. Jahrhunderts war Zeichen für eine verstärkte Medienkritik. In diesem Sinne vermerkte etwa die in Freeland/Pennsylvania erscheinende „Freeland Tribune“ am 14. Oktober 1895, „that the newspapers are in danger of losing their influence, through the prevalence of fake news, worked up by unscrupulous news gatherers.”
3.10.2020