LUDWIG ANGERER – DER FOTOGRAF DES KAISERHAUSES

Der bemerkenswerten Karriere des Fotografen Ludwig Angerer (1827–1879) widmet Michaela Pfundner, die stellvertretende Direktorin von Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek und Leiterin der Abteilung Bilddokumentation, ihr Buch „Der Fotograf des Kaiserhauses“. Der Ausgangspunkt war für sie dabei ein ganz spezielles Foto von Kaiser Franz Joseph – nämlich das einzige, das den Monarchen gemeinsam mit der Kaiserin und seinen Kindern sowie den Brüdern und den Eltern zeigt.

Die kaiserliche Familie. Stehend von links nach rechts: Kaiser Franz Joseph I., Erzherzog Ferdinand Max (später Kaiser Maximilian von Mexiko), Erzherzogin Charlotte, Erzherzog Ludwig Viktor, Erzherzog Karl Ludwig; sitzend von links nach rechts: Kaiserin Elisabeth mit Kronprinz Rudolf, Erzherzogin Gisela, Erzherzogin Sophie, Erzherzog Franz Karl.
Alle Fotos in diesem Beitrag: © Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek/Edition Winkler-Hermaden

Dieses Bild hat der Wiener Atelierfotograf Ludwig Angerer höchstwahrscheinlich auf der Ostterrasse des Schlosses Schönbrunn aufgenommen und zwar – so nimmt man an – anlässlich der Enthüllung des Erzherzog-Carl-Denkmals in Wien am 22. Mai 1860. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Kaiserfamilie vollzählig in Wien versammelt. Und das war für Michaela Pfundner der Anlass, sich näher mit dem Autor dieses Bildes auseinanderzusetzen und in weiterer Folge dann ein Buch über ihn zu verfassen. Dabei konnte sie im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aus dem Vollen schöpfen. An den Beginn stellt sie ein Selbstporträt Angerers am Beginn seiner Karriere, das aber, so meint sie, bereits sein Selbstbewusstsein zeigt: „Schaut her, was kostet die Welt!“

Geboren wurde Ludwig Angerer in Malacky bei Bratislava, der heutigen Slowakei. Nach dem Studium der Pharmazie und Chemie arbeitete er zunächst als Apotheker für die k.u.k. Armee. Nebenbei aber war er auch schon als Fotograf tätig – so auch, als er ab 1854 als Feldapotheker mit einem Regiment auf den Balkan war. Er machte Fotos der lokalen Bevölkerung, nahm militärische Szenen auf und lieferte 1856 die ersten fotografischen Ansichten von Bukarest. Nachdem er den Militärdienst quittiert hatte, eröffnete Angerer 1858 im vierten Wiener Gemeindebezirk sein erstes Fotoatelier. Dort reüssierte er bald mit der sogenannten „Carte de Visite“-Fotografie: Dabei handelte es sich um 6×9 cm große, relativ starre und normierte Porträts, die nicht allzu teuer waren – in heutiger Kaufkraft 10 € – und somit in breiten Bevölkerungskreisen Anklang fanden.

Kaiserin Elisabeth mit ihrem Hund Houseguard, 1864

In nicht einmal zwei Jahren, so Michaela Pfundner, war Angerer der gefragteste Wiener Atelierfotograf. Darüber, wie er den Auftrag erhielt, die kaiserliche Familie abzubilden, kann aber auch sie nur spekulieren. Jedenfalls erhielt er Ende 1860 als erster Fotograf auf dem Gebiet der Monarchie den Titel „Hof Photograph“. 1861 ließ sich der auch kaufmännisch höchst Erfolgreiche in der Wiener Theresianumgasse ein elegantes, kleines Palais bauen, in dem er wohnte, das er aber auch für seine Arbeit nutzte. 1864 wurde er der Leiter des fotografischen Ateliers im k.k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (das heutige Museum für Angewandte Kunst) und richtete sich ein Atelier in der Wiener Innenstadt ein, um dort große Porträtaufnahmen machen zu können. Mit seinen fotografischen Arbeiten war Ludwig Angerer auch in zahlreichen Ausstellungen vertreten, unter anderem auch bei den Weltausstellungen in London (1862), in Paris (1867) und in Wien (1873).

Ludwig Angerer: Porträts von Johann Nestroy (links) und Adalbert Stifter (rechts)

Ludwig Angerer war der Star unter den Wiener Fotografen. Sein Atelier wurde von Angehörigen des österreichischen und internationalen Adels besucht, er bot aber auch Kunst und Kultur eine fotografische Bühne. Faszinierend dabei etwa seine Bilder der Schriftsteller Johann Nestroy (höchst elegant im Pelzmantel) und Adalbert Stifter (der über sein Foto vermerkte: „Meine Freunde sagen, ich sei es schon wieder nicht“). Und er verfertigte ein „Album der Zeitgenossen“ mit 22 Porträts, unter anderem von Franz Grillparzer, Richard Wagner und dem Architekten Heinrich von Ferstel. Der „Hof Photograph“ wagte aber auch den Schritt aus dem Atelier und zeigte unter anderem die großen baulichen Veränderungen der Stadt Wien.

Das Kärnthner Thor – eines der ehemaligen Wiener Stadttore, fotografiert von Ludwig Angerer 1861, kurz bevor es im Zuge der Stadterweiterung geschleift wurde

Michaela Pfundners Buch über Ludwig Angerer ist eine aufwendig illustrierte, detailreiche biografische Darstellung eines sowohl künstlerischen als auch kaufmännischen äußerst erfolgreichen Mannes – und es liefert einen Einblick in die Wiener Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.

Michaela Pfundner: Der Fotograf des Kaiserhauses. Ludwig Angerer (1827–1879). Edition Winkler-Hermaden, Schleinbach 2022

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