NEUJAHRSKARTEN

Neujahrskarte aus dem Jahr 1912. Alle im Beitrag abgebildeten Karten stammen aus der Sammlung L. Denscher.
Neujahrskarte aus dem Jahr 1912. Alle im Beitrag abgebildeten Karten stammen aus der Sammlung L. Denscher

Wenn auch der Beginn des Kalenderjahres in den unterschiedlichen Kulturen und Religionen variiert, so gilt der Neujahrstag, auf welches Datum er auch fällt, doch überall als ein ganz besonderer Tag, an dem gefeiert wird, der mit besonderen Bräuchen verbunden ist und an dem Glückwünsche für das nun angehende Jahr ausgetauscht werden.

Neujahrskarten 1906 (links) und um 1910 (rechts).
Neujahrskarten 1906 (links) und um 1910 (rechts)

In den christlich geprägten Kulturen, wo der Jahresbeginn mit 1. Januar festgelegt ist, ist es heutzutage vielfach üblich, die Neujahrsgrüße gleich jenen für das Weihnachtsfest anzufügen. Ein wenig aus der Mode gekommen sind hingegen spezielle Neujahrskarten. Sie waren vor allem Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehr beliebt und weit verbreitet, wie auch folgendes Fundstück aus dem „Prager Tagblatt“ vom 31. Dezember 1896 zeigt. Der Feuilletonist Ludwig Epstein beschäftigte sich darin mit den „Neujahrswünschen einst und jetzt“:

„Die Versendung der Neujahrskarten an Verwandte, Freunde und Bekannte hat wohl eine ältere Geschichte, als die meisten glauben, die davon Gebrauch machen. Die Herstellung dieser Karten hat ihren Ursprung in der Erfindung der Kupferstech- und Holzschneidekunst. 1439 erschien, der erste, mit Hilfe von Holztafeln gedruckte Kalender, und bald darnach gab es auch gedruckte Neujahrswünsche. Der älteste bekannte Neujahrswunsch ist ein Kupferstich auf dem Jahr 1466. Auf demselben ist das Christuskind abgebildet, das ein Band in den Händen hält, auf dem zu lesen ist: ‚Ein guot selig jor‘. Im 16. Jahrhundert wurden die Neujahrswünsche mit den Wandkalendern verbunden, eine Sitte, die sich auch jetzt wieder Eingang zu verschaffen sucht.

Zwei Neujahrskarten aus dem Jahr 1910 (links Entwurf Alfred Moritz Mailick, 1869–1946).
Zwei Neujahrskarten aus dem Jahr 1910 (links Entwurf Alfred Moritz Mailick, 1869–1946)

Als im 17. Jahrhundert an Stelle der verfeinerten Sitte und des frischen Volkslebens der vorhergehenden Jahrhunderte sowie der Verwilderung während des Dreißigjährigen Krieges ein steifes, zeremonielles Wesen getreten war, nahmen auch die Neujahrswünsche einen ganz anderen Charakter an. Statt der religiösen Darstellungen kamen die damals sehr beliebten Allegorien in Mode, und der eigentliche Glückwunsch wurde in schwülstige, überschwängliche Verse eingekleidet.

Neujahrskarten 1916 (links) und 1912 (rechts).
Neujahrskarten 1916 (links) und 1912 (rechts)

Erst im 18. Jahrhundert trat ein völliger Umschwung in den gedruckten Neujahrswünschen ein durch Einführung der Visitenkarten. Letztere waren die Veranlassung, dass die Glückwünsche die Form von Karten annahmen. In diesem sowie zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren hauptsächlich in Kupfer gestochene und sodann kolorierte, ferner erhaben gepresste und mit Atlas überzogene Karten gebräuchlich. Sie zeigten blumenspendende Genien, die das Füllhorn ausleerende Fortuna und besonders häufig den Altar der Freundschaft. Wie mannigfaltig die Karten sind, die heutzutage zum Jahreswechsel zur Versendung gelangen, ist allbekannt.“

Neujahrskarte 1909.
Neujahrskarte 1909

Ausschnitt aus: Neujahrswünsche einst und jetzt. Culturgeschichtliche Skizze von Ludwig Epstein. Prager Tagblatt, 31.12.1896, S. 1. Die Orthografie wurde dem aktuellen Standard angepasst.

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