Es ist wohl eines der begehrtesten und beliebtesten Genussmittel der Welt, dem Alessandra Sophia Manna ihr Buch „Chocolat“ gewidmet hat. Und dabei beginnt sie zunächst ganz persönlich, erzählt von der intensiven Beziehung zum Vater, einem fanatischen Chocolatier aus der französischen Schweiz, berichtet von ihren Kindheitserinnerungen in der Konditorei, wie sie eine Konditorlehre begann, die Meisterprüfung schaffte und nebenbei Philosophie und Kunst studierte. Mit dem Vater unternahm sie viele Reisen, stets auf der Suche nach den vielfältigen Geheimnissen der Schokolade – so zum Beispiel, wenn es um Schokolade aus Kamelmilch geht. Persönliche Erlebnisse verknüpft sie mit Geschichten und Fakten von Experten, die sie dann im Buch auch zu den einschlägigen Themen zu Wort kommen lässt.
Den Anfang macht die Geschichte des Kakaos: Neueste Forschungen haben ergeben, dass dieser eigentlich aus Südamerika kam und auf dem Gebiet des heutigen Ecuador vermutlich schon um 5500 v. Ch. kultiviert wurde. In Europa wurde er zunächst zwiespältig aufgenommen, war da doch einerseits die aphrodisierende Wirkung und andererseits die Frage, wie man mit Schokolade in der Fastenzeit umgehen solle.
Im Buch folgen dann Pflanzenkunde und Überlegungen zur Biodiversität, bevor die Aromen und deren weites Feld angesprochen werden: Plantagenschokoladen sind ein Thema, genauso wie das Er-Schmecken von Herkunftsländern und Jahrgängen, sowie neue Wege der Schokoladeproduktion: „Raw Chocolate“, bei deren Produktion bestimmte Temperaturen nicht überschritten werden dürfen, Zugabe von „Superfoods“, also Beeren, Früchte und Wurzeln mit ernährungsphysiologisch besonderen Eigenschaften, und letztlich ein Versuch, die diversen Kakaosorten nach Qualitätskriterien, Aromen und Geschmacksausprägung zu ordnen. Die Autorin gibt ihre Eindrücke vom Leben auf einer Kakaoplantage wieder und lässt Fachleute zur wirtschaftlichen Bedeutung und Zertifizierung – alles mit entsprechender Unterstützung durch Tabellen und Grafiken – zu Wort kommen. Schlusspunkt dieses Abschnitts ist (natürlich, ist man versucht zu sagen) der Bio-Kakao.
In den beiden nächsten Abschnitten wird ausführlich Zucker behandelt, denn „Schokolade muss Zucker oder eine andere Zuckerart enthalten“, und ebenso bis ins kleinste Detail Milch, denn Schokoladeprodukte, die Milch enthalten, sind allenthalben am meisten gefragt. Ein Abschnitt ist da auch der schon erwähnten Schokolade aus Kamelmilch gewidmet. Und nun sind noch einmal Aromen an der Reihe, und zwar diejenigen, die der Schokolade beigefügt werden – an erster Stelle steht die Vanille, „die Königin der Gewürze.“ Da werden Legenden erzählt, wird das Botanische angesprochen, die diversen Sorten und Qualitätskriterien.
Nach all den Bestandteilen der Schokolade, ist es an der Zeit, über die Herstellung zu reden, den Werdegang von der Bohne zur Rohschokolade, das Mischen, Walzen und Conchieren. Ja, und das ist auch das Kapitel, in dem ganz besonders auf die Bedeutung der Schweiz auf diesem Gebiet eingegangen wird. Weil Nougat in vielen Ländern zu den bevorzugten Produkten gehört, die mit Schokolade kombiniert werden, findet man in „Chocolat“ auch darüber Wissenswertes. Der Beitrag über „Le Gout de Chocolat“ spricht das Testen von Schokolade an, da gehtʼs ans Eingemachte: Liest man sich nämlich die Anforderungen dafür durch, muss man sehr bald feststellen, dass man als durchschnittliche Schokoladeliebhaberin und als mittelmäßiger Schokoladeesser dafür nicht in Frage kommt. Einzig beim Präferenztest, also: welches der drei zur Auswahl stehenden Stücke am besten schmeckt, könnte man noch mittun.
Dann ist wieder die Wissenschaft an der Reihe: zuerst die Auswirkungen der Schokolade auf den Körper und dann – sehr interessant, weil oft auch überraschend – welche Rolle die Schokolade in den verschiedenen Kulturen, Ländern und Erdteilen spielt. Ein weiterer Gesichtspunkt, der in diesem umfassenden Buch angesprochen wird, ist jener der Marke und wie weit private Labels gegen die ganz großen, weltweit agierenden Firmen noch eine Chance haben. In diesem Zusammenhang werden Produkte vorgestellt, die am hiesigen Markt noch kaum bekannt sind, darunter auch die Kamelmilchschokolade von „Al nassma“.
Bevor der abschließende Rezeptteil entsprechend gewürdigt wird, soll doch auf die Fotos hingewiesen werden, die dieses Buch adäquat illustrieren. Sie stammen von einer Handvoll exzellenter Fotografen, die jeweils über größere Bildstrecken hinweg ein Thema behandeln. Die Rezepte von Torten, Kipferln, Kuchen, Brotaufstrichen, Schoko-Vanillekipferln, Guglhupf, Schoko-Kaiserschmarrn, Birne Helene, Schokomousse und diversen Soufflés kommen hauptsächlich von österreichischen Chocolatiers und Konditormeistern und weisen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade auf. So etwa meint Johann Georg Hochleitner, dass man sich für seine Torta Augusto drei Tage Zeit nehmen müsse. Die Torta Caprese, deren Rezept von Alessandra Sophias Nonna Lucia aus Neapel stammt, sollte man hingegen erst zwei bis drei Tage nach dem Backen essen, erst dann würden sich die Aromen richtig entfalten. Ein eher exotisches Rezept aus Mexiko sind die Blumenkohlröschen mit Erdnuss/Kakao-Mus. Fazit: „Chocolat“ von Alessandra Sophia Manna ist ein Standardwerk, das nahezu alles anspricht, was man heutzutage mit Schokolade verbindet.
Alessandra Sophia Manna: Chocolat. Das Buch der süßen Leidenschaft. HM-Chocolate GmbH, Tamsweg 2020.
12.12.2020