„Ich habe in meinem Leben von dieser Art nichts schöners gesehen“, meinte einst Leopold Mozart über das „Teatro Bibiena“ in Mantua.[1] Seine Begeisterung lässt sich bis heute nachvollziehen, ist doch das Gebäude eines der beeindruckendsten im Original erhaltenen historischen Theater Europas.
Errichtet wurde das Teatro 1767 bis 1769 nach Plänen und unter der Leitung des italienischen Architekten Antonio Galli da Bibiena. In Auftrag gegeben hatte es die „Reale Accademia di Scienze, Lettere ed Arti“, die traditionsreiche Mantuaner Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst, konzipiert war es sowohl für musikalische Aufführungen als auch für wissenschaftliche Veranstaltungen, weshalb es nicht nur als „Teatro Bibiena“ sondern auch als „Teatro Scientifico“ bezeichnet wurde und wird. Die Eröffnung fand am 3. Dezember 1769 mit einer Aufführung der Kantate „Virgilio e Manto“ von Luigi Gatti statt. Wesentlich mehr Aufsehen als diese feierliche Zeremonie erregte allerdings die zweite öffentliche Veranstaltung in dem prächtigen Saal: Denn am 16. Januar 1770 gab dort der damals 13-jährige Wolfgang Amadeus Mozart ein vielbejubeltes Konzert.
Gemeinsam mit seinem Vater Leopold befand sich Mozart auf einer Reise durch Italien, bei der Mantua – nach Rovereto und Verona – die dritte Station war. Der Ruf, ein „miracolo della musica“, ein „Wunder der Musik“ zu sein (wie die „Gazzetta di Mantova“[2] vermerkte), war ihm vorausgeeilt – und mit dem Konzert schien er die Erwartungen noch übertroffen zu haben. Er spielte, auf dem Cembalo, eigene Kompositionen, improvisierte über Motive, die ihm der Konzertmeister vorgab, komponierte zu einem Text, den man ihm vorlegte, eine Arie, die er dann auch selbst sang, und er trug ein Stück auf der Violine vor. „Die Menge der Menschen, – – das zuruffen, klatschen, Lermen, und Bravo über Bravo, – kurz das allgemeine zuruffen, und die Bewunderung so die zuhörer zeigten kann ich Dir nicht genug beschreiben“[3], so schilderte Leopold Mozart die Reaktion des Publikums in jenem Brief an seine Ehefrau Anna Maria in Salzburg, in dem sich auch seine begeisterten Worte über das „Teatro Bibiena“ finden. Nicht ganz so begeistert war Leopold Mozart hingegen von der Tatsache, dass mit dem Konzert keine Einnahmen verbunden waren, da der Eintritt zu den Veranstaltungen der Accademia gratis war. „Du wirst aber daraus leicht schlüssen [schließen], daß wir in Italien nicht reich werden“, so sein diesbezüglicher Kommentar.[4]
Im Brief an seine Ehefrau erwähnt Leopold Mozart auch das zu jener Zeit sehr erfolgreiche Buch „Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen“ von Johann Georg Keyßler. Anna Maria Mozart könne daraus Näheres über die Sehenswürdigkeiten der von Vater und Sohn Mozart besuchten italienischen Städte erfahren, „damit Du wenigst im zimmer reisen kannst, wenn Du gleich nicht bey uns bist.“[5]
Tatsächlich liefert das 1740/41 erstmals publizierte und in der Folge mehrfach wiederaufgelegte Reisehandbuch sehr detaillierte Informationen. Diese zeigen, dass sich an der Struktur des historischen Zentrums von Mantua seit der Zeit Mozarts nur wenig verändert hat. Heute wie damals beeindruckt an Mantua, das seit 2008 (gemeinsam mit Sabbioneta) als exemplarische Renaissancestadt den Status als UNESCO-Weltkulturerbe innehat, zunächst die fast inselartige Lage. Die drei Seen, von denen die Stadt umgeben ist, wurden im 12. Jahrhundert aus Gründen der Verteidigung künstlich, durch Aufstauen des Flusses Mincio, angelegt. Bis ins 19. Jahrhundert gab es noch einen vierten See, wodurch Mantua bis dahin tatsächlich auf einer Insel lag.
„Der herzogliche Pallast ist groß und weitläuftig“[6], konnte Anna Maria Mozart in Johann Georg Keyßlers Buch lesen und erfahren, dass die Schätze der einst dort vorhandenen Kunstkammer „theils verderbet, theils zerstreuet“ seien, dass es aber immerhin große Galerien und Säle mit beeindruckenden Deckengemälden gebe, sowie etliche kostbare Möbel, Marmorstatuen und zahlreiche Portraits. Die Beschreibung passt durchaus immer noch auf den Palazzo Ducale (den einstigen Sitz der Herzogsfamilie Gonzaga), nur dass der mächtige Bau mittlerweile nicht mehr – wie so lange – „verderbet“, also dem Verfall preisgegeben ist, sondern seit einiger Zeit aufwendig restauriert wird.
Keyßler informierte seine Leserschaft auch darüber, welche Künstler in Mantua tätig gewesen waren, so etwa Andrea Mantegna, Paolo Veronese und Giulio Romano, er gibt detaillierte Beschreibungen der beiden Hauptkirchen – des Doms und der Basilika Sant’Andrea –, und er geht bei der Beschreibung der Vorstädte vor allem auf den 1524 unter der Leitung von Giulio Romano als Sommerresidenz erbauten Palazzo Te ein.
Welche der Sehenswürdigkeiten, zu denen man mit Johann Georg Keyßlers Buch „im Zimmer reisen“ konnte, Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart in Mantua besichtigten, ist nicht bekannt. Leopold Mozart hatte fürs Briefeschreiben, wie er klagte, kaum Zeit, war er doch aufgrund von Reisestress „ein geblagter Mann. nichts als anlegen und ausziehen; Einpacken und Auspacken, und noch dazu kein warmes zimmer“.[7] Die nächste Station auf der anstrengenden Reise war Mailand, wo Vater und Sohn Mozart am 23. Januar 1770 ankamen.
[1] Schiedermair, Ludwig (Hg.): Die Briefe Leopold Mozarts. Erster Band, München u. Leipzig 1914, S. 13.
[2] Gazzetta di Mantova, 26.1.1770.
[3] Schiedermair: Die Briefe Leopold Mozarts, S. 13.
[4] Schiedermair: Die Briefe Leopold Mozarts, S. 15.
[5] Schiedermair: Die Briefe Leopold Mozarts, S. 11.
[6] Johann Georg Keyßlers, der Königlich Großbrittannischen Societät der Wissenschaften Mitgliedes, Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Hannover 1751, S. 1011.
[7] Schiedermair: Die Briefe Leopold Mozarts, S. 11.
24.11.2023