RUDYARD KIPLING: DAS DSCHUNGELBUCH

Illustration von Paloma Tarrío Alves für die im Steidl Verlag erschienene Neuausgabe von Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“
Aus einer Illustration von Paloma Tarrío Alves für die im Steidl Verlag erschienene Neuausgabe von Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“

„Ein Lese- und ein Vorlesebuch, im besten Sinne ein Familienbuch“, sei das „Dschungelbuch“, vermerkt der deutsche Schriftsteller und Übersetzer Andreas Nohl im Nachwort der von ihm neu übersetzten Ausgabe. Kein anderer Schriftsteller habe der geheimnisvollen Freundschaft zwischen Kindern und Tieren so stark Ausdruck verliehen wie Rudyard Kipling. Man erfährt in diesem Nachwort auch einiges über die Biografie Kiplings: 1865 in Bombay geboren, mit fünfeinhalb Jahren – wie das in anglo-indischen Familien damals oft üblich war – ohne Eltern nach England geschickt. Dort wurde er bei einer Pflegefamilie gequält und gemobbt, sodass ihm die Kadettenschule, die er ab 1878 besuchte, wie Erholung vorkam. 1882 kehrte er nach Indien zurück und begann eine Karriere als Reporter, 1889 verließ er Indien Richtung London, machte dort mit Erzählungen und Gedichten als Schriftsteller auf sich aufmerksam, zog 1892 mit seiner Frau Caroline nach Vermont in den Nordosten der USA.

Im klirrenden Winter verfasste er „Das Dschungelbuch“ in zwei Teilen 1894 und 1895 als zufälliges Durcheinander von Mogli-Geschichten und anderen Erzählungen. Erst in späteren Ausgaben zog er im ersten Band alle Geschichten von Mogli, dem „Menschenwelpen“ – wie Andreas Nohl das Kind nennt –, das von Wölfen aufgezogen wird, zusammen und füllte den zweiten Band, beginnend mit der Geschichte vom tapferen Mungo Rikki-Tikki-Tavi, mit allen anderen Erzählungen. Dieser Einteilung folgte auch Andreas Nohl in seiner neu übersetzten Fassung.

Illustration von Paloma Tarrío Alves für die im Steidl Verlag erschienene Neuausgabe von Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“
Illustration von Paloma Tarrío Alves für die im Steidl Verlag erschienene Neuausgabe von Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“

Von der Freundschaft zwischen Kindern und Tieren war die Rede, es ist aber keine Idylle, von der Kipling schreibt. Sein Dschungel ist eine Welt des Fressens-und-gefressen-Werdens. Wie weit das in die „weichgespülte“ Welt vieler heutiger Kindergeschichten und -filme passt, wird wohl im Einzelfall zu entscheiden sein. Als Erwachsener, der vor der Disneyʼschen Verharmlosung sozialisiert wurde, fällt man gleich wieder hinein in diese Welt der Tiere mit ihren jeweils ganz typischen Eigenschaften und Redeweisen. Passend zur derzeitigen Diskussion in Mitteleuropa kann auch Kiplings Beschreibung des Lebens mit und unter Wölfen gelesen werden. Faszinierend sind auf jeden Fall seine Beschreibungen der Dschungel-Landschaften, in die schon auch einmal die große Trockenheit einbrechen kann, in der dann ganz andere Gesetze gelten.

1907 erhielt Rudyard Kipling für „Das Dschungelbuch“ den Literaturnobelpreis, da war er nicht einmal 42 Jahre alt. Damit ist er – nach wie vor – der jüngste Preisträger. Wunderschön sind ja auch die Gedichte aus dieser Dschungelbuchsammlung, die Nohl im Kiplingʼschen Versmaß übertragen hat. Man kann diese Gedichte im Anhang im englischen Original lesen. Tropische Dschungelwelten, in denen sich viele verschiedene Tiere tummeln, zaubert auch die Illustratorin Paloma Tarrío Alves ins Buch.

Cover "Das Dschungelbuch"


Rudyard Kipling: Das Dschungelbuch. Band 1 und 2. Neu übersetzt von Andreas Nohl. Illustriert von Paloma Tarrío Alves. Steidl Verlag,Göttingen 2022.

10.7.2023

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