THE KINFOLK GARDEN: MIT NATUR LEBEN

Was alles Garten sein kann! Wir, die über eine kleine Rasenfläche gehen und uns – je nach Jahreszeit – an Flieder, Rhododendren, Rosen und Hortensien erfreuen, uns bleibt beim Buch „The Kinfolk Garden“ der Mund offen. Der Autor, John Burns, zeigt da, auf wie viele Arten man mit Natur leben kann.

Der Garten von Alejandro Sticotti und Mercedes Hernáez in Buenos Aires, Argentinien, soll ungezähmt wirken. Ein Mauerpfeffer überwuchert das Schlafzimmerfenster. Foto © Cecilia Renard/Knesebeck Verlag
Der Garten von Alejandro Sticotti und Mercedes Hernáez in Buenos Aires, Argentinien, soll ungezähmt wirken. Ein Mauerpfeffer überwuchert das Schlafzimmerfenster. Foto © Cecilia Renard/Knesebeck Verlag

„Kinfolk“ ist ein amerikanisches Lifestyle-Magazin, das vier Mal jährlich erscheint. Angeblich spaltet es die Gemüter, denn es nimmt für sich in Anspruch „die Meditationsstunde unter den Zeitschriften“ zu sein. Und wie das halt so ist mit dem Meditieren, die einen gehen darin auf, die anderen schaffen es einfach nicht – warum auch immer. John Burns ist der Chefredakteur von „Kinfolk“ und das Team rund um ihn gibt nicht nur das Magazin, sondern auch Bücher heraus: „The Kinfolk Table“, in dem es um das entspannte, gemeinsame Kochen geht, „The Kinfolk Home“, in dem man angeleitet wird, seinen eigenen Rhythmus zu leben, und jetzt eben: „The Kinfolk Garden“, dessen Thema das Leben mit der Natur ist. Burns hat Verständnis mit unsereinem, er schreibt gleich in der Einleitung, dass unser aller eigener Garten mit großer Wahrscheinlichkeit ganz anders aussieht als die Gärten in seinem Buch. Doch er meint, dass das keine allzu große Rolle spiele, denn „das Besondere an Blumen und Pflanzen ist, dass ihre Schönheit uns in jeder beliebigen Umgebung anspricht.“

Fem Güçlütürk, die 2015 die von ihr gegründete Werbefirma verließ, um sich fortan mit Botanik zu befassen. Foto © Ekin Özbiçer/Knesebeck Verlag
Fem Güçlütürk, die 2015 die von ihr gegründete Werbefirma verließ, um sich fortan mit Botanik zu befassen. Foto © Ekin Özbiçer/Knesebeck Verlag

Man lernt in dem Band „The Kinfolk Garden“ kreative Menschen kennen, die sich von der Schönheit der Blumen haben inspirieren lassen, und Burns stellt Gemeinschaften vor, „deren Projekte, wie Blumen blühen.“ Über all das Besondere und Spezielle hinweg vergisst er aber nicht, praktische Tipps unter dem Motto zu geben: man braucht keine spezielle Ausbildung, man soll sich einfach darauf einlassen und ausprobieren. So ist der erste Teil des Buches mit „Pflege“ überschrieben. Darin werden Menschen vorgestellt, die es sich zur Aufgabe machen, mit liebevoller Fürsorge das wilde Wesen der Natur zu zähmen. Fem Güçlütürk eröffnet, sie pflegt im Südwesten der Türkei einen Garten und ein Gartenhaus. Aus diesem Haus hat sie alles, was nicht mit Pflanzen zu tun hat, entfernt, so dass diese in einem alljährlichen Rhythmus entweder im Garten im Freien wachsen oder ein geeignetes Plätzchen im Haus finden.

Weitere Stationen mit ganz typischen, ganz eigenartigen und besonderen Gärten sind Mallorca, Marokko, die kalifornische Mohave-Wüste, Südlondon, Kopenhagen, dann der traumhaft schöne Garten Majorelle in Marrakesch („traumhaft schön“ verwende ich ganz subjektiv aus dem Grund, weil das der einzige unter den vielen, vielen Gärten dieses Buches ist, den ich selbst gesehen habe). Santa Barbara, Buenos Aires und ein Dachgarten in Paris sind weitere Stationen. Dieses Kapitel über die Pflege wird mit entsprechenden praktischen Tipps zum Thema vom Eintopfen bis zum Umgang mit den Pflanzen im Winter abgeschlossen.

Ein Arrangement der in Amsterdam lebenden Monai McCullogh, die eine Spezialistin für Indoor-Gardening ist. Die große Agave im Hintergrund hat eine hohe schmale Blüte hervorgebracht. Agaven blühen nur einmal und gehen anschließend ein. Die Goldkugelkakteen im Vordergrund stammen aus Mexiko. Sie sind in der freien Natur als Art gefährdet. Foto © Rodrigo Carmuega/Knesebeck Verlag
Ein Arrangement der in Amsterdam lebenden Monai McCullogh, die eine Spezialistin für Indoor-Gardening ist. Die große Agave im Hintergrund hat eine hohe schmale Blüte hervorgebracht. Agaven blühen nur einmal und gehen anschließend ein. Die Goldkugelkakteen im Vordergrund stammen aus Mexiko. Sie sind in der freien Natur als Art gefährdet. Foto © Rodrigo Carmuega/Knesebeck Verlag

Der zweite Teil widmet sich dem Thema Kreativität: Profis erschließen hier im Umgang mit der Natur neue Wege. Da ist ein Florist, der extravagante Kompositionen erfindet, Innenarchitekten, die mit Pflanzen und Vasen überraschende Arrangements schaffen, ein Floristikdesigner, der Blumen in seinen Installationen mit industriellen Materialien verbindet, ein Fotograf, der in seinem Atelier wildwuchernde Pflanzen als Hintergrund für seine Porträts verwendet, ein Maler, der all das, was um ihn herum blüht und wächst, in seine Bilder inkorporiert, Naturschützer, die einen mexikanischen Betongarten wieder zum Leben erweckt haben, eine Tänzerin, die ihren Hang zur Floristik entdeckt hat, ein Designer, der botanisch akkurate Papierpflanzen fertigt und eine Töpferin, die ganz eigenartige Vasen herstellt. Passender Abschluss zu diesem Kapitel sind sechs Tipps zum Kreativsein mit Blumen. Das geht vom Trocknen und Pressen bis zum Suchen geeigneter Vasen.

Der dritte Abschnitt des Buches ist Gemeinschaften gewidmet, die „zusammen mit den Pflanzen aufblühen, die sie pflegen.“ Diese Gemeinschaften wurden in Südafrika, Kopenhagen, Mallorca, im Libanon, Amsterdam, Mexiko, Santa Fe, Los Angeles, Oregon und Stockholm gefunden, sie bauen Museen in den Regenwald hinein, unterstützen Ratsuchende bei allen nur möglichen Aktivitäten, die mit Pflanzen zusammenhängen oder betreiben Gästehäuser inmitten von Gemüsegärten, veranstalten Workshops, bei denen man lernt, essbare heimische Pflanzen zu sammeln und einzulegen. Die entsprechenden Tipps sind unter dem Titel „Wurzeln schlagen“ zusammengefasst und inspirieren zum Beispiel dazu, Stecklinge zu verschenken oder als Gartenguerillero vernachlässigte Pflanzen in Großstädten zu pflegen.

Bis jetzt war nur von den Inhalten die Rede, wobei die schon recht außergewöhnlich und auch herausfordernd sind. Aber das Allerbeste an diesem Buch sind natürlich die Bilder. Die Bilder der Pflanzen, der Räume, der Menschen, der Gärten, der Landschaften, der Häuser, der Kunstwerke. Und beim Betrachten dieser Bilder, nimmt man sich dafür nur genügend Zeit, kann sich schon das eingangs erwähnte Gefühl der Meditation einstellen.

Buchcover

John Burns: The Kinfolk Garden. Mit Natur leben. Aus dem Englischen von Cornelia Panzacchi. Knesebeck Verlag, München 2021.

5.6.2021

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