PASTA FÜR NACHTIGALLEN…

Nachtigall. Abbildung aus dem Band „Pasta für Nachtigallen“
Nachtigall. Abbildung aus dem Band „Pasta für Nachtigallen“

Wenn sich die Gefiederten rundum schon lautstark bemerkbar machen, soll auch hierorts von ihnen und von einigen Büchern über sie die Rede sein. Eines davon heißt „Pasta für Nachtigallen“ und ist ein Handbuch über Vogelpflege aus dem 17. Jahrhundert, das mit den originalen kolorierten Vogelzeichnungen von damals illustriert ist. Das zweite, „Vögel in der Kunst“, ist ein traumhaft schönes Bilderbuch mit eingestreuten ornithologischen Bemerkungen. Und das Brüderpaar Jürgen & Thomas Roth hat nach dem großen Erfolg seines Buches „Kritik der Vögel“ nun eine „Minima Ornithologica“ nachgelegt.

99 Mal begegnet man in „Minima Ornithologica“ der Vogelwelt. Wobei nicht bei allen Texttiteln gleich zu erkennen ist, dass es um Ornithologisches geht. Egal: „Ein Prosabuch von geradezu bescheuerter Hingabe und schier haltloser Verehrung der Gefiederten“ wollten die Brüder Roth machen. Geworden ist daraus ein durchaus abwechslungsreiches Lesebuch: einmal sind es längere Beiträge über Greifvögel oder ein Meisentagebuch, dann wieder kurze Gedichte oder Aphorismen. Weil die Amsel mein Lieblingsvogel ist, was ich gerne zugebe, habe ich die Amseltexte zuerst durchgelesen – es sind mindestens neun. Da leitet Thomas Roth seinen zweiten Aufsatz über das Amselleben ein mit: „Die Amsel ist Gesang“. So idyllisch bleibt es aber nicht – oder doch? „Manchmal kommt es vor, dass man eine Amsel aufschreckt, sie unter gotteslästerlichem, menschenverfluchendem Schimpfen davonfliegt und noch währenddessen zu singen beginnt.“ Einen langen Absatz lang schwärmt Thomas Roth vom Flöten der Amsel. Schön. Um nicht ganz abzuheben, sollte man danach „Drauf geschissen“ lesen. Auch da entwickelt Roth eine unvorstellbare Phantasie in der Beschreibung der einschlägigen Spuren. Und endet: „Die Nachtigall war‘s nicht. Vielleicht die Lerche.“

Wiedehopf. Abbildung aus dem Band „Pasta für Nachtigallen“
Wiedehopf. Abbildung aus dem Band „Pasta für Nachtigallen“

1622 gab der italienische Gelehrte und Kunstmäzen Cassiano dal Pozzo den Band „Uccelliera“ („Die Voliere“) in Auftrag. Den Text schrieb der Naturforscher Giovanni Pietro Olina, der dem Werk einen – wie damals üblich – detailreichen Untertitel gab: „Abhandlung über die Natur und die besonderen Charakteristika verschiedener Vögel, insbesondere der Singvögel, nebst Fang, Bestimmung, Aufzucht und Haltung“. Stiche, die auf den aquarellierten Zeichnungen von Vincenzo Leonardi basieren, illustrieren dieses Vogelbuch, das dann auch Bestandteil jenes sogenannten Papiermuseums wurde, in dem Cassiano dal Pozzo seine wissenschaftlichen Studien und Debatten zusammentrug. 1762 erwarb der englische König Georg III. einen Großteil dieser Sammlung (darunter auch die Originalausgabe von „Uccelliera“), die heute zur „Royal Collection“ gehört.

Vor einigen Jahren wurde „Uccelliera“ ins Englische übersetzt, durch ein Vorwort der britischen Autorin Helen Macdonald (Verfasserin des vielbeachteten Bandes „H wie Habicht“) ergänzt und unter dem Titel „Pasta for Nightingales“ publiziert. Basierend darauf brachte der Gerstenberg Verlag eine rundum geglückte, bibliophile deutschsprachige Ausgabe heraus. Kurze Kapitel über zahlreiche Vogelarten, von der Kohlmeise bis zur Lerche, behandeln all das, was im originalen Untertitel des Buches versprochen wird. Man erfährt, dass der Klang der Kohlmeisen damals als unangenehm empfunden wurde („es erinnert an Quietschen bzw. das Geräusch eines rostigen Riegels“) oder dass man Kanarienvögel mit Zuckerstückchen verwöhnte und, wenn sie unter Vogelläusen litten, mit starkem Wein einsprühte und in die Sonne stellte. Weiters natürlich all die Besonderheiten von Amsel, Drossel, Fink und Star – und was es mit der titelgebenden Pasta für Nachtigallen auf sich hat. Für diese Vogelnahrung benötigt man Kichererbsenmehl, Mandeln, Butter und gekochtes Eigelb. Das reicht im Sommer. Im Winter muss man – damit die Speise für die Tiere erwärmender und appetitanregender wird – Safran hinzufügen. Kein Wunder, dass Nachtigallen dazu neigen Fett anzusetzen.

Ohara Koson: Reiher im Schnee (1927). Abbildung aus dem Band „Vögel in der Kunst“
Ohara Koson: Reiher im Schnee (1927). Abbildung aus dem Band „Vögel in der Kunst“

Das Team Angus Hyland und Kendra Wilson – Autor und Grafikdesigner er, Bloggerin und Autorin sie – haben schon bei ähnlichen Büchern, wie zum Beispiel „Bäume in der Kunst“, zusammengearbeitet. Nun also „Vögel in der Kunst“. Zu einem Bogen an Kunstwerken, der vom frühen 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht, erfährt man, was es denn mit den Vögeln auf all den Gemälden auf sich hat: Was will Picasso mit dem Bild „Frau mit Krähe“ ausdrücken oder warum verdeckt eine weiße Taube das Gesicht von „Der Mann mit der Melone“ von René Margritte. Überrascht wird man vom Bild eines Falken von jenem Giuseppe Arcimboldo, von dem man die grotesken Obst- und Gemüse-Gesichter kennt. Und Albrecht Dürer hat nicht nur den Feldhasen gemalt, sondern auch einen Storch. Dazwischen findet man kurze Aussagen zum Thema, zum Beispiel, dass auch eine trübselige Umgebung Bachstelzen nicht die Laune verderben kann: „Ihre wippenden Schwanzfedern setzen sogar auf einem trostlosen Parkplatz lustige Akzente.“ Das Schwergewicht des Buches aber liegt auf Vogelbildern mehr oder weniger bekannter zeitgenössischer MalerInnen.

Matt Adrian: Looking At Clouds As Achievable Destinations. © 2010 The Mincing Mockingbird/Matt Adrian. Abbildung aus dem Band „Vögel in der Kunst“
Matt Adrian: Looking At Clouds As Achievable Destinations. © 2010 The Mincing Mockingbird/Matt Adrian. Abbildung aus dem Band „Vögel in der Kunst“

Jürgen Roth & Thomas Roth: Minima Ornithologica. Begegnungen in der Vogelwelt. Mit Illustrationen von F.W. Bernstein. Aufbau Verlag, Berlin 2021.
Pasta für Nachtigallen. Ein Handbuch über Vogelpflege aus dem 17. Jahrhundert. Aus dem Englischen übersetzt von Anke Wagner-Wolff. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2018.
Angus Hyland & Kendra Wilson: Vögel in der Kunst. Aus dem Englischen übersetzt von Birgit Lamerz-Beckschäfer. Verlag DuMont, Köln 2020.

28.4.2021

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