„Es ist allerhöchste Eisenbahn“ ist eine Redensart, die in vielen Situationen zu passen scheint: wenn es darum geht, sich zu beeilen, rasch zu handeln, etwas unverzüglich zu erledigen. Doch woher kommt diese oft verwendete Formulierung? Und was hat denn die Höhe der Eisenbahn mit der notwendigen Reaktionsschnelligkeit, um die es da geht, zu tun?
Die Wendung stammt aus der humoristischen Szene „Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße“ des Berliner Schriftstellers Adolf Glaßbrenner (1810–1876). Mit diesem Heiratsantrag wirbt der Briefträger Bornike um Caroline, die Tochter des Stubenmalers Kleisich. Dabei sorgt er jedoch durch sein ungeschicktes Verhalten für einiges Durcheinander und durch seine Sprechweise für so manche Irritation. Bornike vertauscht nämlich in seinen Sätzen immer wieder Begriffe untereinander. Er sei eben, so entschuldigt er sich, „zuweilen ein bisschen zerstreut, das bringt mein Jeschäft mit sich, weil ich den janzen Tag über Briefe zu steijen und Treppen abzujeben habe.“[1] So wie das „über Treppen zu steigen“ und „Briefe abzugeben“ kommen ihm auch, als ihn Kleisich über die zu erwartende Mitgift informiert, die Wörter „Tochter“ und „Mitgift“ durcheinander: „Diese Dochter is janz hinreichend; ich heirate Ihre Mitjift.“[2]
Weitere derartige sprachliche Wirrnisse folgen, aber diese Zerstreutheit sei, meint Mutter Kleisisch, „nich so schlimm in der Ehe, als wenn er irjend en anderen Fehler hätte“[3]. Man einigt sich auf eine baldige Verlobung, doch da Bornike vergaß, auf die Uhrzeit zu achten, muss er nun rasch fort, um die per Bahn eingetroffenen Poststücke zu übernehmen. Die mit einigem weiteren Durcheinander verbundene eilige Verabschiedung, mit der das Stück endet, kommentiert er mit dem Ausruf: „Es ist die allerhöchste Eisenbahn, die Zeit ist schon vor drei Stunden anjekommen!“[4]
Wie konnte, mag man sich fragen, gerade diese Formulierung so populär werden? Ist doch die Handlung des nur einige wenige Seiten langen Dramoletts sehr schlicht und der Text überdies durchgehend in Berliner Mundart abgefasst. Und es ist klar erkennbar, dass es sich bei der „allerhöchsten Eisenbahn“ um ein schiefes sprachliches Bild handelt, entstanden aus einem Versprecher. Dass die kuriose Wendung dennoch bald weite Verbreitung fand, hängt wohl unter anderem damit zusammen, dass Adolf Glaßbrenner zu seiner Zeit ein vielgelesener Autor war. Glaßbrenner, der oft mit dem Pseudonym „Brennglas“ zeichnete, schrieb scharfe politische Satiren (die ihn wiederholt in Konflikt mit den preußischen Behörden brachten), und er verfasste zahlreiche humoristische Skizzen. Diese sind meist in Berlin angesiedelt und begründeten den Erfolg des oft als „Vater des Berliner Witzes“ bezeichneten Schriftstellers.
Das Dramolett „Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße“ erschien 1847 in der Sammlung „Berliner Volksleben“, die in der Folge mehrfach neu aufgelegt wurde. Glaßbrenners Texte wurden außerdem auch einzeln in Zeitungen und Zeitschriften publiziert, und das nicht nur in Berlin. „Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße“ etwa war im Dezember 1856 in Fortsetzungen auch im „Pesth-Ofner Localblatt“[5] zu lesen – und somit wusste man dann auch in Budapest, wann es „allerhöchste Eisenbahn“ war.
Adolf Glaßbrenner und sein Werk sind heute außerhalb von Berlin weitgehend vergessen – nicht aber diese eine von ihm geprägte Redewendung. Populär geworden und geblieben ist sie wohl deshalb, weil sie hohe assoziative Aussagekraft hat: Sie evoziert die Vorstellung eines dahinrasenden Zuges, der von einer großen, antriebsstarken Lokomotive gezogen wird: „Allerhöchste Eisenbahn“ eben.
[1] Ad. Brennglas [= Adolf Glaßbrenner]: Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße. In: Berliner Volksleben. Ausgewähltes und Neues. 2. Band, Leipzig 1847. S. 246.
[2] Ebenda, S. 249.
[3] Ebenda, S. 251.
[4] Ebenda, S. 253.
[5] Pesth-Ofner Localblatt, (Budapest) 2.-5.12.1856.
23.11.2021