VON SYMBOLEN, ZEICHEN UND KLEINEN WÖRTERN

Aus dem, was da wie eine wirre Ansammlung verschiedener Zeichen und Symbole aussehen mag, lässt sich durchaus eine Lebensgeschichte herauslesen: Da wird jemand geboren * und getauft , später folgen eine Verlobung und eine Heirat , zwei Kinder werden geboren * * , es kommt zur Scheidung , auf die eine außereheliche Beziehung folgt , in der wieder ein Kind zur Welt kommt (*). Dann gibt es eine zweite Heirat II⚭ und ein weiteres Kind * . Irgendwann geht dieses Leben zu Ende , am Schluss steht das Begräbnis .

Die sogenannten genealogischen Zeichen, mit denen all dies hier ausgedrückt wird, dienen als – international normierte – platzsparende Darstellung von biografischen Angaben. Die bei weitem am häufigsten verwendeten dieser Zeichen sind das Sternchen für „geboren“ und das Kreuz für „gestorben“.

Die genealogischen Zeichen gehören zu jenen kleinen Wörtern, Zeichen und Symbolen, denen die deutsche Schriftstellerin Kerstin Preiwuß ihr Buch „Das Komma und das Und“ gewidmet hat. Alphabetisch geordnet geht es von „an“ über „es“, „man“ und „oder“ bis „zu“, dazwischen finden sich diverse Satzzeichen und Symbole. All dies sind wenig beachtete Elemente, die jedoch in der Kommunikation eine zentrale Rolle spielen. Kerstin Preiwuß liefert dazu viele verschiedene Beispiele, so etwa zum Wort „aber“: „Es ist ein Dilemma, das alle Familien kennen. Jetzt aber schnell ins Bett, sagen die Eltern. Ich will aber noch nicht schlafen, das Kind. (…) Aber ist nach dem Nein das zweite wichtige Wort, das ein Kind zu gebrauchen lernt, um sein Wesen in der Welt zu erfahren. Es ist die nächste Stufe der Argumentation und notwendig zum Aufbau der Kausalkette eines späteren Weil. Nein, aber, weil. Diese grundsätzliche Erfahrung, einen Widerspruch oder einen Gegensatz formulieren zu können, ist ein wichtiger Schritt in unserer sprachlichen Entwicklung.“ Das kleine Wort „aber“ hat (aber – !) noch etliche weitere Facetten: Es kann auf Wiederholungen verweisen, wie etwa in der Formulierung „aber und abermals“, es kann große Mengen bezeichnen – „Aberhunderte“, „Abertausende“, „Abermillionen“ … – und Gegensätzliches ausdrücken – wie etwa den „Aberglauben“ als Gegensatz zum rechten Glauben oder den „Aberwitz“ als Gegensatz zur Vernunft.

Als „eine Art Nebelkerze, die dabei hilft, eine Aussage, Haltung, Entscheidung im Vagen zu lassen“, charakterisiert Kerstin Preiwuß das Wort „eigentlich“ (man sieht: die kleinen Wörter müssen nicht immer kurz sein). Eigentlich will man etwas anderes, eigentlich meint man etwas anderes, eigentlich sollte etwas ganz anders sein. Es ist ein Wort, das jede Aussage relativiert und dem Kurt Tucholsky einen ganzen Aufsatz gewidmet hat.

Das in deutschsprachigen Texten am häufigsten vorkommende Wort ist „der“, gefolgt von „die“ und „und“. Der bei weitem häufigste Buchstabe im Deutschen ist das „e“, weit abgeschlagen folgen dann das „n“, das „i“ und das „r“. Welches aber ist das im geschriebenen Deutsch am häufigsten verwendete Zeichen? Es ist – das Leerzeichen. Dazu Kerstin Preiwuß: „Wir merken es nicht mal mehr, wenn wir beim Schreiben auf der Tastatur den Finger auf die Leertaste fallen lassen, dabei ist die Trennung der Wörter eine die Schrift begleitende Kulturtechnik. In antiken Texten war sie noch nicht üblich. (…) Erst im 7. Jahrhundert wurde die Wortteilung eingeführt.“

Zur Trennung der einzelnen Wörter durch eine Leerstelle gesellten sich im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Zeichen, die das Verständnis von schriftlichen Texten erleichterten – vor allem natürlich Punkt und Komma. Letzteres verleidet ja vielen die Freude an der Orthografie (Beistrich oder nicht, das ist die Frage…), doch gerade dieses Satzzeichen schafft Klarheit und Eindeutigkeit. Wenn es fehlt, kann es zum sogenannten „Holzwegeffekt“ kommen, der darin besteht, dass ein Satz aufgrund mehrerer Lesarten bei der ersten Lektüre falsch verstanden wird – also auf den Holzweg führt. Ein oft zitiertes Beispiel lautet: „Ich mag meine Familie kochen und meinen Hund“. Was da ziemlich brutal klingt, erweist sich durch das Einfügen eines Kommas als durchaus sympathisches Bekenntnis: „Ich mag meine Familie, kochen und meinen Hund“.

Kerstin Preiwuß weiß in ihrem Buch noch viel mehr über die kleinen Wörter und all die Zeichen und Symbole zu erzählen, die innerhalb der Sprache jenes Netz bilden, „in dem unsere Bedeutungen und Sinnzusammenhänge aufgehoben sind“. Es ist, wie sie ihren Band im Untertitel nennt, „Eine Liebeserklärung an die Sprache“ – und eine ebenso interessante wie amüsante Lektüre für alle, die die Sprache lieben.

Kerstin Preiwuß: Das Komma und das Und. Eine Liebeserklärung an die Sprache. Dudenverlag, Berlin 2019.

15.2.2020

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