ES REGNET KATZEN, HUNDE UND SCHUSTERJUNGEN

Regenwetter: Es tröpfelt und nieselt, dann gießt es und schüttet – in Strömen, wie aus Eimern, Kübeln oder Schaffeln … und ob es nun Bindfäden regnet oder Schnürlregen gibt – auf jeden Fall findet sich fürs feuchte Wetter eine große Menge von verschiedenen Begriffen und sprachlichen Bildern. Und das natürlich nicht nur im Deutschen. Im Englischen etwa regnet es bekanntlich „cats and dogs“.

George Cruikshank: „Very unpleasant weather, or the old saying verified ‚Raining cats, dogs, & pitchforks‘!!!“. 1820 (National Gallery of Art, Washington)
George Cruikshank: „Very unpleasant weather, or the old saying verified ‚Raining cats, dogs, & pitchforks‘!!!“. 1820

Warum aber Katzen und Hunde? Es gibt keine gesicherte Erklärung für dieses bereits im 16. Jahrhundert verwendete Sprachbild. Doch ein möglicher Hinweis auf dessen Ursprung könnte sich in George Cruikshanks Radierung „Very unpleasant weather, or the old saying verified ‚Raining cats, dogs, & pitchforks‘!!!“ finden. Da regnet es neben Katzen und Hunden auch Mistgabeln – ganz so, wie es, laut Bildtitel, in einer „alten Redensart“ hieß. Bis ins späte 16. Jahrhundert aber war bei heftigem Regen auch von herabprasselnden „catbolts“ und „dogbolts“ die Rede. Dabei handelte es sich um zwei Arten von Eisenbolzen, die, zusammen mit den Mistgabeln, ein durchaus passender Vergleich zu groben Hagelkörnern waren. Später gerieten die Fachbegriffe außer Gebrauch, und geblieben sind in der Redensart die Katzen und Hunde – so lautet zumindest ein durchaus plausibler Erklärungsversuch[1].

Allerdings kann es auch im Deutschen junge Hunde regnen[2], während es im Polnischen manchmal Frösche sind, die vom Himmel prasseln[3]. Derartige „tierische“ Vergleiche gibt es auch in anderen Sprachen, und nicht alle sind so unmittelbar verständlich wie das französische „Il pleut comme vache qui pisse“ und dessen norddeutsche Entsprechung: „Es pladdert, wie wenn eine Kuh das Wasser lässt“.

Die Reihe der Kuriositäten, die bei Starkregen sprachbildlich vom Himmel fallen, ist durchaus erstaunlich: So etwa sind es im brasilianischen Portugiesisch Taschenmesser (canivetes), im Französischen Hellebarden (hallebardes), im Niederländischen Pfeifenstiele (pijpenstelen), im Schwedischen kleine Nägel (små­spik) und im Tschechischen gar Schubkarren (trakaře).

Albert Schäfer-Ast: „Es regnet Schusterjungen“. In: Uhu, April 1930, S. 23
Albert Schäfer-Ast: „Es regnet Schusterjungen“. In: Uhu, April 1930, S. 23

Eine der merkwürdigsten Wettererscheinungen aber sind wohl die Schusterjungen bzw. Schusterbuben, die im deutschen Sprachraum vom Himmel regnen. Erklärt wird dieses Sprachbild meist damit, dass es sich nicht um Schuhmacherlehrlinge handle, sondern um die vor allem in Berlin beliebten Roggenbrötchen namens „Schusterjungen“. Der Vergleich dieses semmelartigen Gebäcks mit schweren Regentropfen wurde, so nimmt man an, aus dem Berlinerischen in weiten Teilen des deutschen Sprachraums übernommen und – mit den Schusterbuben – regionalen Sprachformen angepasst.

Es sei denn, man folgt jener Erklärung, die es im Dänischen gibt. Denn auch da regnet es Schusterjungen: „Det regner skomagerdrenge“. Und man scheint sich vielfach recht sicher zu sein, woher die Wendung stammt.[4] Sie gehe auf eine Begebenheit aus dem Jahr 1758 zurück: Ein Schuster, der seine Werkstätte in einem oberen Stockwerk eines Hauses in der Kopenhagener Læderstræde hatte, warf einen seiner fünf Lehrlinge, der ein Werkstück verpatzt hatte, vor Wut aus dem Fenster. Die anderen Lehrlinge protestierten, und auch sie wurden hinausgeworfen. Nur zwei überlebten, die Sache machte großes Aufsehen, und, so heißt es, „noch viele Jahre danach hatte die Læderstræde einen schlechten Ruf. ‚Geh da nicht rein‘, sagten die Leute. ‚Es regnet Schusterjungen‘.“[5] Später, als die tragischen Ereignisse in Vergessenheit gerieten, wurde der Ausdruck verallgemeinert und für heftigen Regenfall verwendet.

Diese doch recht ausgefallene Geschichte hat es bis nach Norwegen, ins „Große norwegische Lexikon“ – „Store norske leksikon“ – geschafft.[6] Dort scheint man keine Zweifel an der Erklärung des skandinavischen Nachbarn zu haben. Immerhin kennt man ja auch in Norwegen spezielle sprachliche Niederschlagsphänomene – denn da platschen bei Starkregen weibliche Trolle – trollkjerringer – vom Himmel herab.

Es regnet – und wichtig ist wohl nur, letztlich nicht vom Regen in die Traufe zu geraten, also durch das Vermeiden einer üblen Situation in eine noch schlimmere zu kommen, „urspr. von einem gesagt, der sich bei Regenwetter an die Häuser unter den überspringenden Rand der Dächer flüchtet, aber dabei unter die Traufe gerät, […] so daß er erst recht naß wird.“[7]

Wilhelm Busch: Aus dem Regen in die Traufe. In: Fliegende Blätter, 1861, Nr. 824, S. 125.
Wilhelm Busch: Aus dem Regen in die Traufe. In: Fliegende Blätter, 1861, Nr. 824, S. 125.

[1] Vgl. Anatoly Liberman: Raining cats and dogs. Oxford University Press, OUP Blog, 21.3.2007.
[2] Siehe: es regnet junge Hunde. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, abgerufen 29.9.2023.
[3] Siehe: Rzuca żabami. Słownik języka polskiego PWN, abgerufen 29.9.2023.
[4] Siehe z.B.: Lise Bostrup: Det regner med katte og hunde i London, men med skomagerdrenge i Læderstræde. Den Danske Sprogkreds, abgerufen 29.9.2023.
Det regner skomagerdrenge. ordforklaring.dk, abgerufen 29.9.2023.
[5] FN 5, Lise Bostrup: Det regner med katte og hunde i London, men med skomagerdrenge i Læderstræde. Übersetzung: Barbara Denscher
[6] Roger Pihl: det regner skomagerdrenge. Store norske leksikon, abgerufen 29.9.2023.
[7] Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg 1994, Band 4, S. 1235.

30.9.2023

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